Liebe Freunde, liebe Familien, liebe Gemeinde, lieber Matthias,
Bischof Heiner Wilmer und die obersten Verantwortlichen des Bistums Hildesheim haben unseren Pfarrer Matthias am Donnerstag aufgefordert, sein Amt zur Verfügung zu stellen.
Das hat uns alle schockiert. Doch das heißt noch lange nicht, dass uns dies auch sprachlos macht.
Im Gegenteil. Und deshalb stehe ich hier vor Ihnen, um einmal aufzuzeigen, was unser Pfarrer Matthias für uns Jugendliche, für die Gemeinde und damit auch unsere Gesellschaft tut.
Die Ministranten in unserer Pfarrei haben die jahrzehntelange Tradition, sich selbst zu organisieren.
Was heißt das?
Jugendliche und junge Erwachsene, meistens im Alter von 15 bis 25 Jahren, organisieren Gruppenstunden, das Dienen-Üben und vieles mehr. Jedoch gibt es meistens nur eine Person bei den Aktionen, die nicht in diese Altersspanne passt: unser Pfarrer Matthias Eggers. Unterstützt werden wir dabei von unseren Hauptamtlichen und unseren Familien.
Bevor wir alle BetreuerInnen wurden, waren wir meistens selbst als Kinder schon mit bei den Winterfahrten, den Mai-Radtouren und den Ministranten-Wochenenden dabei. Unsere damalige BetreuerInnen haben ihr Wissen und ihre Erfahrungen an uns weitergegeben. Das passiert von Generation zu Generation.
Einige ehemalige Messdiener voriger Generationen stehen heute Seite an Seite mit uns hier vorne, obwohl manche von ihnen seit über 10 Jahren kein Messdienergewand mehr getragen haben.
Und das ist das Besondere: Uns verbindet nicht nur die Tradition sondern noch eine andere Konstante: Matthias. Du, Matthias, bist der Grund, dass die Jugend, also wir in unserer Pfarrei heute noch genauso aktiv sind wie vor 10 Jahren.
Doch etwas hat sich in den nunmehr zehn Jahren jedoch geändert: nämlich das wir in unserer Pfarrei offen mit einem Tabuthema umgehen: dem sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen.
Dass jeder Ehrenamtliche eine Präventionsschulung besucht, ist für uns zur Selbstverständlichkeit geworden. Das ist der Grund, warum wir Jugendlichen uns in unserer Pfarrei St. Petrus in Wolfenbüttel sicher fühlen, vor allem sicher vor Missbrauch von Machtinhabern der katholischen Kirche.
Matthias, du trägst einen großen Teil dazu bei. Zum einen bestärkst du uns darin, nicht wegzusehen, sondern ermutigt uns, gegen jeglichen Missbrauch vorzugehen. Zum anderen forderst du uns auf, sensibilisiert zu sein, achtsam zu sein und auf Anzeichen von Missbrauch zu achten.
Da aber proaktives Vorgehen sowie die Aufklärung von Missbrauchsfällen vom Bistum nicht umfassend gefördert und mitunter nicht unterstützt wird, bist du, Matthias nun mit klaren Worten an die Öffentlichkeit gegangen.
Freitagvormittag haben wir erfahren, dass dir nun ein Amtsenthebungsverfahren droht, solltest du nicht freiwillig dein Amt niederlegen. Insbesondere wir Jugendlichen waren schockiert und fassungslos. Denn wenn es um die Kinder geht, die Opfer von sexuellem Missbrauch geworden sind, haben wir und auch unsere Eltern eine ganz besondere Sichtweise:
Es hätten auch Wir sein können!
Denn auch in unserer Gemeinde gibt es Opfer und gab es Täter.
Nun soll mit allem Schluss sein. Matthias, du sollst – nach Vorstellungen des Bischofs – gehen. Das können wir so nicht hinnehmen. Deshalb haben wir uns innerhalb weniger Stunden mit aktiven und ehemaligen Ministranten getroffen und bis in die Nacht überlegt, wie wir unser Entsetzen in Unterstützung umwandeln können.
Ein Ergebnis davon sehen Sie alle heute schon hier: Viele aktuelle und ehemalige Ministranten sind zum Dienen zusammen gekommen, um wortwörtlich hinter dir, Matthias und deiner Botschaft zu stehen. Wir, die Messdiener, als Stimme der Jugend. Bischof Heiner Wilmer sagte erst vorige Woche in seiner Predigt: „Pfingsten soll uns beflügeln, in Opposition gegen Machtregime und für die Schwachen einzustehen“.
Wir fordern deshalb unseren Bischof dazu auf, im Sinne der Opfer von Missbrauchsfällen sein Vorgehen zu hinterfragen! Denn wir empfinden die Rücktrittsforderung als reine Machtdemonstration der Institution Kirche. Außerdem fordern wir Bischof Heiner Wilmer dazu auf, Formulierungen wie „Matthias habe dem Volk Gottes großen Schaden zugefügt“ zurückzunehmen und sich dafür zu entschuldigen. Das Handeln von Matthias hat niemandem Schaden zugefügt. Und wer wüsste das besser als wir. Wir, das Volk Gottes. Vielmehr führt dein Handeln, Matthias, zu der notwendigen Aufmerksamkeit sowie Aufarbeitung, die dieses Thema so bitter nötig hat.
Wir sind stolz auf dich Matthias, dein Mut ist für uns alle ein Vorbild! Was auch immer nun aus Hildesheim auf dich zukommen möge, wir stehen hinter dir und halten zu dir.
Dankeschön, Matthias und Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Rede der Ministranten in der St. Petrus Kirche vom 26.05.2024