Lieber Matthias, liebe Gemeinde,
Die Pfarrei ist in Aufruhr!
Was wir gerade erleben, ist ein konsequentes Handeln des Bischofs nach den Vorgaben des Kirchenrechtes, denn Matthias Eggers hat mit seinen öffentlichen Äußerungen den Gehorsam gebrochen, den er dem Bischof versprochen hat. Die Bistumsleitung fühlt sich offensichtlich durch seine Kritik massiv unter Druck gesetzt.
Natürlich ist es kein angenehmer Weg, Missstände über die Presse aufzudecken. Aber zahllose Ehrenamtliche und Laien im kirchlichen Dienst kämpfen seit Jahrzehnten um Veränderungen in der katholischen Kirche: Maria 2.0, Out In Church, Betroffeneninitiativen – um nur drei Stichworte zu nennen. Sie alle wissen, dass sie wenig gehört, sondern oft nur mit vertröstenden Worten bedacht werden. Sie alle haben die Erfahrung gemacht, dass sie trotz großen persönlichen Einsatzes und Kompetenz keine wirklichen
Veränderungen in der Institution Kirche erreichen konnten, auch wenn Berichte über Missstände nicht abreißen und Pfarreien keine Priester mehr haben.
So haben wir miterlebt, dass auch du, im Bistum und in der Priesterschaft mit dem Thema Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt trotz deines kontinuierlichen Drängens keine angemessenen zeitnahen Handlungen erreichen konntest. Dabei hast du uns als Gremienmitglieder und in der Regel auch die Pfarreimitglieder über dein Vorgehen nicht im Unklaren gelassen, sondern es im Vorhinein transparent gemacht. Wir haben
über Vieles immer wieder diskutiert.
Was bei der Reaktion des Bischofs gar keine Berücksichtigung findet, ist, dass St. Petrus eine der lebendigsten Pfarreien des Bistums ist. Eine Pfarrei, die noch aktive Jugendliche, junge Erwachsene und junge Familien hat. Eine Pfarrei, die immer wieder versucht, neue Initiativen zu starten und nicht Altes zu verwalten. Eine Pfarrei, in der es ein gutes Miteinander der Generationen, soziales Engagement und viele aktive Ehrenamtliche gibt. Eine Pfarrei, in der Erwachsene sich auf ihren Glaubensweg begeben, um sich taufen zu lassen oder katholisch zu werden.
Und wir sind eine Pfarrei, die sich durch ihre Gremienvertreter schon mehrfach selbst kritisch an das Bistum gewandt hat, z.B. bei der Aufklärung der sexuellen Übergriffe durch den Ruhestandsgeistlichen Georg Merettig. Erst diesen Mittwoch hat der Pfarreirat einen Brief an den Bischof geschickt zur Frage der Visitation und Firmung.
Auch nach Bekanntwerden der dringenden Empfehlung des Bischofs zeigt sich die Pfarrei St. Petrus als ziemlich lebendig. Seit Donnerstagabend braust ein Sturm der Solidarität durch die Pfarrei, der sich sogar auf die Stadt ausgebreitet hat. Mich hat das bei aller Unsicherheit, die plötzlich über uns gekommen ist, sehr ermutigt zeigt es doch, wieviel Gemeinschaft und welche unglaubliche Kraft und Stärke hier vorhanden sind.
Viele Menschen haben sofort überlegt, was sie nun tun können . Viele haben sich bei uns gemeldet und ihre Hilfe angeboten. Dafür möchte ich mich bedanken und ich möchte Sie zu einer ersten Solidaritätsaktion einladen:
Die Begründung des Bischofs für sein Handeln lautet, Pfarrer Eggers habe dem Volk Gottes großen Schaden zugefügt. Diese Aussage ist absurd. Schaden haben dem Volk Gottes die Missbrauchstäter und diejenigen zugefügt, die ihre Taten vertuscht und ihnen ein Verbleiben im Priesterdienst ermöglicht haben.
Wir haben diese Behauptung in eine wahre Aussage gewendet: „Mir hat Pfarrer Eggers keinen Schaden zugefügt.“ Wenn Sie das auch so sehen, unterschreiben Sie auf einer der vielen Listen, damit wir diese an den Bischof weitergeben können.
In der nächsten Woche wird es eine Sondersitzung der Gremien geben, in der wir beraten wie wir als Pfarrei vorgehen werden, um jetzt klug zu handeln und einen Dialog mit dem Bistum wieder möglich zu machen. Wir werden Sie darüber zeitnah informier en und freuen uns über Ihre Unterstützung bei weiteren Aktionen.
Lieber Matthias, ich stehe hier um dir stellvertretend die Solidarität und Unterstützung der Gremienvertreter:innen und zahlreicher Pfarreimitglieder zu übermitteln. Wir sind gemeinsam mit dir der Überzeugung, dass der christliche Glaube gerade in diesen Zeiten eine wichtige Orientierung bietet. Um ihn aber glaubhaft und zukunftsorientiert zu vermitteln, braucht es dringend Veränderungen in der Kirche und manchmal ungewöhnliche Schritte. Die letzten beiden Tage haben eine ziemliche Eigendynamik entwickelt. Wir haben dies nicht bewusst initiiert, trotzdem ist im Kirchenvolk ein ziemliches Brausen und ein kleiner Sturm entstanden.
Gottes Geist weht eben doch, wo er will!
– Maria Kröger, Vorsitzende des Kirchortsrates St. Petrus am 26. Mai 2024